Podcast: Michael Köhlmeier über das Schreiben und »Die Verdorbenen«
Ein Gespräch am märchenhaften Ort
Im September 2025 traf Wolfgang Tischer den österreichischen Autor Michael Köhlmeier im Schwarzwald anlässlich der 10. Literaturtage Nordschwarzwald. Diese hochkarätige Veranstaltung findet alle zwei Jahre in Baiersbronn, Dornstetten und Freudenstadt statt und lockt mit einem besonderen Ambiente - Lesungen in Hütten am Waldrand und Museen. Kuratiert von Walle Seier und veranstaltet von der VHS Freudenstadt, bildeten in diesem Jahr Autorinnen und Autoren wie Monika Helfer, Arnold Stadler, Angelika Overath und Judith Herrmann das hochkarätige Programm.
Buch: Die Verdorbenen von Michael Köhlmeier
Köhlmeiers aktueller Roman »Die Verdorbenen« steht auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis 2025 und erzählt die Geschichte des Studenten Johann im Marburg der frühen 1970er Jahre. Ein scheinbar harmloses Ereignis - ein 20-minütiger Spaziergang um einen See mit einer Kommilitonin - führt zu ungeahnten Folgen.
Was Figuren mit ihren Autoren machen
Besonders faszinierend ist Köhlmeiers Schilderung seines Schreibprozesses: »Wenn es mir dann nicht gelingt als Schriftsteller, spätestens nach einer Seite, dass diese Figur irgendwie mich führt und nicht ich die Figur, dann funktioniert es nicht. Die Figur erzählt mir die Geschichte.«
Diese Wendungen können auch für den Autor selbst verstörend sein. Wenn sein Protagonist als Kind auf die Frage des Vaters, was er einmal tun möchte, antwortet: »Ich möchte einmal einen Mann töten«, dann wusste Köhlmeier beim Schreiben selbst »keine zwei Zeilen vorher«, dass diese Worte kommen würden. »Natürlich bleibt mir immer die Möglichkeit, das zu ignorieren«, sagt Köhlmeier, »aber dann bin ich ein Verräter gegenüber meiner literarischen Figur.«
Biografische Referenzen, weil es einfacher war
Köhlmeier nutzt für »Die Verdorbenen« biografische Elemente - er studierte wie sein Protagonist in Marburg -, betont aber die Distanz zur eigenen Person: »Ich habe hier meine Biografie ausgebeutet, ohne dass aber ich eine Identität hätte mit der Person, die hier erzählt.« Es sei schlichtweg einfacher gewesen, das Marburg der 1970er Jahre zu beschreiben, weil er es kenne.
Hören Sie die komplette Podcast-Folge, um mehr über Köhlmeiers Verhältnis zu seinen Figuren, die Entstehung kraftvoller Sätze und seine Gedanken zu Wilhelm Hauffs »Das kalte Herz« zu erfahren - aufgenommen an einem märchenhaften Ort im Schwarzwald, der schon Hauff zu seinem wohl bekanntesten Text inspirierte.